Hoffnung trotzt Dürre

Von Dürre betroffene Landschaft © PACIDA
Hoffnung trotzt Dürre
Im Oktober 2022 ist eine Gruppe von Journalist*innen (Print, Radio und TV) in den Norden Kenias gereist. In Samburu unterstützt die Dreikönigsaktion die engagierte Arbeit der Yarumal Missionaries mit der örtlichen Hirtengesellschaft. Georg Bauer von der Öffentlichkeitsarbeit der Dreikönigsaktion hat die Reise begleitet und berichtet von seinen Eindrücken.
Die Windschutzscheibe unseres Jeeps hat den Schlaglöchern auf der Schotterstraße von Maralal nach Barsaloi nichts entgegenzusetzen. Irgendwann ist es ihr zu viel, sie löst sich aus der Gummidichtung und fällt heraus. Normalerweise wünscht man sich bei so einem Defekt keinen Regen, um nicht komplett durchnässt zu werden. In Samburu aber schon, weil es hier seit über drei Jahren nicht mehr geregnet hat, eine fatale Folge der Erderwärmung. Jacob Lokinei Ereman, der Chief der Siedlung in Parkati, bringt es auf den Punkt: „Wir sind Pastoralisten, wir leben von unseren Rindern, Ziegen, Kamelen. Ohne Regen gibt es aber weder Trinkwasser noch Weideflächen. Dürre hat es bei uns immer schon gegeben, neu ist, dass es so lange andauert. Wegen der Dürre sind viele Tiere schon gestorben, diese sind aber die Basis für unser Leben.“ Immer weiter müssen die Männer mit ihren verbliebenen Rindern gehen. Monate sind sie unterwegs, um in anderen Regionen vielleicht doch Gras zu finden.

Dürre als Folge der Klimakrise
Der Rest der Familie bleibt in der Siedlung Parkati. Dort haben die Yarumals für sauberes Trinkwasser gesorgt. Auch eine Primary School, eine Volksschule, gibt es hier, sie wird von den Kindern besucht, die nicht mit anderen Aufgaben betreut sind: Burschen führen die Ziegenherden zu höher gelegenen Plätzen, an denen die Tiere noch Blätter an Sträuchern als Futter finden. Mädchen müssen Wasser holen, auf kleine Geschwister aufpassen oder im Haushalt helfen.
Lpaniki ist so ein Hirtenbub, 10 Jahre ist er alt. Täglich macht er sich nach Sonnenaufgang mit den 22 Ziegen seiner Familie auf den Weg. Mit dabei hat er einen Behälter mit Ziegenmilch und etwas Wasser, seine Ration für den ganzen Tag. Beiläufig erzählt Lpaniki, wofür er das große Messer benötigt, das in seinem Hosenbund steckt. Giftige Schlangen gibt es viel in der Gegend. Auch Wildtiere haben es auf die Ziegen abgesehen, vor Löwen und Elefanten bleibt ihm aber nur die Flucht. Eine weitere Gefahr sind junge Männer anderer ethnischen Gruppen, die Vieh stehlen wollen. Das zu verhindern ist Aufgabe der „Morans“, die als junge Krieger die Herden der Siedlung bewachen.

Lpaniki mit seinen Ziegen auf Futtersuche
Am Abend begegnen wir Lpaniki in einer gänzlich anderen Umgebung, in einem Klassenzimmer, das nie von Tageslicht durchflutet wird. Es ist die „Sheperd Evening School“. Hirtenkinder kommen nach einem anstrengenden und heißen Tag hierher, um Rechnen, Lesen und Schreiben in Englisch und Kisuaheli zu lernen. Wir bewundern die Energie und Ausdauer der Kinder, die nach dem mühseligen Hirtenalltag noch aufnahmebereit sind. Im Gespräch wird klar, warum sie es tun: Ihr Ziel ist es, Anschluss an das reguläre Schulsystem zu finden und nach einigen Jahren dort aufgenommen zu werden.

Tairus Lereete unterrichtet die Hirtenkinder.
Der Stellenwert von Bildung hat sich sehr gewandelt, erzählt uns Silvester Adero. Er selbst ist das beste Beispiel dafür: In Barsaloi als traditioneller Samburu aufgewachsen hat er eine Schullaufbahn hingelegt, eine Ausbildung als Lehrer für die Secondary School abgeschlossen und arbeitet nun im Team der Yarumals als Field Officer, der die unterschiedlichen Maßnahmen koordiniert. „Früher war es für die Hirtengesellschaft einfach nicht nötig, Lesen, Schreiben und Rechnen zu können, da waren ganz andere Fertigkeiten gefragt. Aber die Zeiten ändern sich, für die aktuellen Herausforderungen benötigen meine Leute zusätzliche Fähigkeiten.“ Lesen verhilft Buben und Mädchen dazu, über den Tellerrand hinaus zu blicken und neue Lebenschancen zu nutzen. Schreiben macht es den Menschen möglich, mit Hilfe ihrer Handys zu kommunizieren und finanzielle Überweisungen, wie das in Kenia üblich ist, zu tätigen. Rechnen ist wichtig für Frauen, die ihre Produkte am Markt verkaufen und sich nun in Buchhaltung üben.

Schwere Wasserkanister tragen ist Frauenarbeit.
Auch für Mädchen und Frauen brechen mittlerweile andere Zeiten an. Zwar ist ihre Stellung in der Hirtengesellschaft immer noch von patriarchalen Verhältnissen geprägt. „Viele Mädchen werden nach wie vor im Kindesalter oft an ältere Männer verheiratet und vor der Heirat im Genitalbereich beschnitten. Mädchen dürfen oft nicht zur Schule gehen. Viele Frauen werden nur als Arbeitskräfte gesehen, und die wichtigen Entscheidungen treffen allein die Männer“, berichtet Irene Lenawuatoop, Sozialarbeiterin im Team der Yarumals. Um dann aber fortzufahren, dass „Women Empowerment“ in ihrer Arbeit immer mehr Früchte trägt. So ist der Mädchenanteil in der Schule stark angestiegen, erwachsene Frauen werden in „Field Schools“ im Freien unterrichtet. Mit besserer Bildung steigt auch das Selbstbewusstsein, sich gegen frühe Verheiratung und Genitalverstümmelung zu wehren.

Bildung macht Frauen stärker.
Irene überlegt auch mit Frauengruppen, wie diese zum Familieneinkommen beitragen können. Mit dem Herstellen von Flüssigseife aus Aloe Vera, das in der örtlichen Flora vorkommt, mit dem Verkauf von Perlenschmuck, mit der Produktion von Honig und selbst gebackenen Brötchen. „Die unternehmerische Tätigkeit der Frauen bringt viele Männer dazu, ihren Frauen mehr Respekt und Wertschätzung entgegenzubringen“, freut sich Irene über besseres Verhältnis der Geschlechter.

Elisabeth Lekupe und ihr Team backen Brot.
Die Windschutzscheibe des Jeeps ist mittlerweile wieder dort, wo sie hingehört, der Schaden ist behoben. Für die Menschen in Samburu gibt es so eine schnelle Lösung nicht. Zwar ist die Hoffnung vorhanden, dass es heuer endlich wieder regnet, und damit die Lebensgrundlage für eine Zeit lang gesichert ist. Aber das ist ein Blick ins Ungewisse. Wie immer es auch kommen mag in den nächsten Jahren: Die Menschen wissen, dass sie sich auf das Team der Yarumals verlassen können - und auf die Unterstützung durch die Dreikönigsaktion.